Zeitzeugen
Kriegskinder - die vergessene Generation?
TRAUMA IM ALTER - LEBENSLANGE FOLGEN KRIEGSBEDINGTER ERLEBNISSE
Erst seit wenigen Jahren befassen sich wissenschaftliche Studien sowie Veröffentlichungen ernsthaft mit den Folgen kriegsbedingter Erlebnisse von Kindern und Jugendlichen.
.Als Kriegskinder gelten in Deutschland die zwischen 1925 und 1945 Geborenen. Gemeint sind „… Menschen, die in ihrer Kindheit durch direkte oder indirekte Einwirkungen des Krieges nachhaltig wirkende psychische und physische Schäden erlitten. Oft bleiben solche Kriegstraumatisierungen über Jahre unbewusst, sind aber doch wirksam (…) und können die nächste und übernächste Generation verändern.“ (Quelle:Startseite www.kriegskind.de)
Kindheitserlebnisse sind prägend für das ganze Leben
30-35% dieser Kriegskinder gelten nach heutigen Maßstäben als hoch traumatisiert bzw. geschädigt. Bombenhagel, Flucht, Verfolgung sowie Vertreibung und Vergewaltigung sind, je nachdem wo sie aufgewachsen sind, entscheidend für ihre traumatischen Erfahrungen. Hinzu kommt, dass ein Viertel aller Kinder nach dem Krieg ohne Väter aufgewachsen ist, etwa 200.000 waren sogar Vollwaisen, die oftmals auch Geschwister und Großeltern verloren haben.
Auch wenn nicht alle Kriegskinder in gleicher Weise traumatische Erfahrungen gemacht haben, so kann man doch von generationen-typischen Verhaltensmustern sprechen. Seit der Industrialisierung und dem Kaiserreich galten in Deutschland bestimmte Erziehungsnormen, die im „Dritten Reich“ systematisch fortgesetzt wurden. Jungen durften nicht weinen, keine Gefühle zeigen, mussten die Zähne zusammen beißen, Schmerzen wegstecken und nicht über ihre Probleme reden. „Zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl und flink wie die Windhunde“ war zu dieser Zeit ein beliebter Leitspruch. Hinzu kommt, dass die Generation der Kriegskinder sehr früh familiäre Verantwortung übernehmen musste, weil der Vater fehlte oder sie die „Älteren“ waren. So wurden sie früh zu „kleinen, ernsten Erwachsenen“, die kaum Kindheit oder Jugend erlebt haben.
Auch nach dem Krieg, in den Zeiten des Wiederaufbaus, wurden diese Erziehungsnormen nicht in Frage gestellt. Es ging ums Überleben, das Leid der Kinder spielte keine Rolle und man ging davon aus, dass Kinder schnell vergessen. Die Kriegskinder passten sich an und hatten auch kaum Gelegenheit, über ihre Erlebnisse zu sprechen. Die Gesellschaft des Wiederaufbaus wollte nach dem Krieg nicht an die schrecklichen Geschehnisse erinnert werden, sie wurden tabuisiert!
Doch was geschieht mit Menschen, die diese Erinnerungen verdrängen müssen und nicht darüber reden können/dürfen? Welche Rolle spielen diese Kriegserfahrungen im Alter oder bei Demenz?
Als typische Verhaltensweisen dieser Generation gelten angepasst, sparsam vorausplanend sein, wenig Rücksicht auf eigene Bedürfnisse nehmen und sich von vielen Dingen nicht trennen können, horten. Das Nachlassen körperlicher Kräfte oder beginnende Hilfebedürftigkeit können jahrzehntelang bestehende psychische Schutzmechanismen schwächen. Plötzliche Angstanfälle, Ruhe- und Schlaflosigkeit, unerklärliche körperliche Symptome und Verhaltensweisen können in der Folge unerwartet auftreten. Im Laufe einer Demenz können lange zurückliegende (Kindheits-) Erfahrungen wach werden. „Demenz ist eine Krankheit, die den Intellekt und das Gedächtnis verändert, nicht aber die Gefühle.“ Verdrängte bedrohliche und ängstigende Gefühle von damals „(…) und was man lebenslang unter Kontrolle gehalten hat, kann aufbrechen (…) und zwar sehr intensiv, wenn die Kontrollmechanismen weg brechen (…).“ Deshalb ist es so wichtig, dass Angehörige und privat oder professionell Pflegende von der Vorgeschichte eines zu betreuenden Menschen wissen. Nicht immer ist dies möglich, weil die Betroffenen nicht gewohnt oder in der Lage sind, von ihren Erlebnissen zu berichten. Hier kommt es dann auf die Sensibilität ihrer Umgebung an, sich über die prägenden Erlebnisse dieser Generation zu informieren. (Quelle: Bagso Nachrichten 04/12, S. 10-20)
Was können Betroffene selbst tun?
Experten empfehlen die Aufnahme einer Psychotherapie. In größeren Städten gibt es bereits Selbsthilfegruppen, sogenannte Kriegskindergruppen. Ein weiterer Weg kann auch das Aufschreiben und Öffentlichmachen der eigenen Biografie darstellen. Auch in der Literatur gibt es mittlerweile einige Veröffentlichungen. Umfassende Informationen – auch für die Generation der Kriegsenkel! – gibt die Internetseite www.kriegskind.de. Sie listet auch auf Kriegstraumata spezialisierte Therapeut/innen auf.
WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN
Informationen für Kriegskinder und Kriegsenkel
http://www.kriegskind.de/
Kriegskinder e.V. – Forschung Lehre Therapie
http://www.kriegskinder-verein.de/Therapie.html
.Als Kriegskinder gelten in Deutschland die zwischen 1925 und 1945 Geborenen. Gemeint sind „… Menschen, die in ihrer Kindheit durch direkte oder indirekte Einwirkungen des Krieges nachhaltig wirkende psychische und physische Schäden erlitten. Oft bleiben solche Kriegstraumatisierungen über Jahre unbewusst, sind aber doch wirksam (…) und können die nächste und übernächste Generation verändern.“ (Quelle:Startseite www.kriegskind.de)
Kindheitserlebnisse sind prägend für das ganze Leben
30-35% dieser Kriegskinder gelten nach heutigen Maßstäben als hoch traumatisiert bzw. geschädigt. Bombenhagel, Flucht, Verfolgung sowie Vertreibung und Vergewaltigung sind, je nachdem wo sie aufgewachsen sind, entscheidend für ihre traumatischen Erfahrungen. Hinzu kommt, dass ein Viertel aller Kinder nach dem Krieg ohne Väter aufgewachsen ist, etwa 200.000 waren sogar Vollwaisen, die oftmals auch Geschwister und Großeltern verloren haben.
Auch wenn nicht alle Kriegskinder in gleicher Weise traumatische Erfahrungen gemacht haben, so kann man doch von generationen-typischen Verhaltensmustern sprechen. Seit der Industrialisierung und dem Kaiserreich galten in Deutschland bestimmte Erziehungsnormen, die im „Dritten Reich“ systematisch fortgesetzt wurden. Jungen durften nicht weinen, keine Gefühle zeigen, mussten die Zähne zusammen beißen, Schmerzen wegstecken und nicht über ihre Probleme reden. „Zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl und flink wie die Windhunde“ war zu dieser Zeit ein beliebter Leitspruch. Hinzu kommt, dass die Generation der Kriegskinder sehr früh familiäre Verantwortung übernehmen musste, weil der Vater fehlte oder sie die „Älteren“ waren. So wurden sie früh zu „kleinen, ernsten Erwachsenen“, die kaum Kindheit oder Jugend erlebt haben.
Auch nach dem Krieg, in den Zeiten des Wiederaufbaus, wurden diese Erziehungsnormen nicht in Frage gestellt. Es ging ums Überleben, das Leid der Kinder spielte keine Rolle und man ging davon aus, dass Kinder schnell vergessen. Die Kriegskinder passten sich an und hatten auch kaum Gelegenheit, über ihre Erlebnisse zu sprechen. Die Gesellschaft des Wiederaufbaus wollte nach dem Krieg nicht an die schrecklichen Geschehnisse erinnert werden, sie wurden tabuisiert!
Doch was geschieht mit Menschen, die diese Erinnerungen verdrängen müssen und nicht darüber reden können/dürfen? Welche Rolle spielen diese Kriegserfahrungen im Alter oder bei Demenz?
Als typische Verhaltensweisen dieser Generation gelten angepasst, sparsam vorausplanend sein, wenig Rücksicht auf eigene Bedürfnisse nehmen und sich von vielen Dingen nicht trennen können, horten. Das Nachlassen körperlicher Kräfte oder beginnende Hilfebedürftigkeit können jahrzehntelang bestehende psychische Schutzmechanismen schwächen. Plötzliche Angstanfälle, Ruhe- und Schlaflosigkeit, unerklärliche körperliche Symptome und Verhaltensweisen können in der Folge unerwartet auftreten. Im Laufe einer Demenz können lange zurückliegende (Kindheits-) Erfahrungen wach werden. „Demenz ist eine Krankheit, die den Intellekt und das Gedächtnis verändert, nicht aber die Gefühle.“ Verdrängte bedrohliche und ängstigende Gefühle von damals „(…) und was man lebenslang unter Kontrolle gehalten hat, kann aufbrechen (…) und zwar sehr intensiv, wenn die Kontrollmechanismen weg brechen (…).“ Deshalb ist es so wichtig, dass Angehörige und privat oder professionell Pflegende von der Vorgeschichte eines zu betreuenden Menschen wissen. Nicht immer ist dies möglich, weil die Betroffenen nicht gewohnt oder in der Lage sind, von ihren Erlebnissen zu berichten. Hier kommt es dann auf die Sensibilität ihrer Umgebung an, sich über die prägenden Erlebnisse dieser Generation zu informieren. (Quelle: Bagso Nachrichten 04/12, S. 10-20)
Was können Betroffene selbst tun?
Experten empfehlen die Aufnahme einer Psychotherapie. In größeren Städten gibt es bereits Selbsthilfegruppen, sogenannte Kriegskindergruppen. Ein weiterer Weg kann auch das Aufschreiben und Öffentlichmachen der eigenen Biografie darstellen. Auch in der Literatur gibt es mittlerweile einige Veröffentlichungen. Umfassende Informationen – auch für die Generation der Kriegsenkel! – gibt die Internetseite www.kriegskind.de. Sie listet auch auf Kriegstraumata spezialisierte Therapeut/innen auf.
WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN
Informationen für Kriegskinder und Kriegsenkel
http://www.kriegskind.de/
Kriegskinder e.V. – Forschung Lehre Therapie
http://www.kriegskinder-verein.de/Therapie.html